Was ist eigentlich Reiki? Ein Selbstversuch.
"Reiki?" Meine Freundin schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie hatte mich in die Eso-Schublade gesteckt, eindeutig. "Das willst DU machen? Also, so langsam wirst Du mir unheimlich." Ja, ich mir auch, denke ich. Ich, die Rationale, ständig Denkende, Überlegende, Abwägende - und Reiki.
Reiki für Anfänger
Im zweiten Ausbildungsblock meiner Yogalehrerausbildung begegnete ich Ramona. Sie ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von mir. Das liegt vor allem daran, dass sie tatsächlich mit dem Herzen sieht. Genau so, wie es im kleinen Prinzen beschrieben steht. Alles, was rational nicht erklärbar und mir darum suspekt erscheint, nimmt sie einfach an, wie es ist. Sie erklärt sich Dinge weniger über den Verstand als vielmehr über das Gefühl. Was übrigens nicht bedeutet, dass sie nicht denkt. Sie lässt sich nicht primär von ihren Gedanken, sondern von ihrem Herz leiten. Etwas, das mir nicht in die Wege gelegt wurde.
Ich habe sie mir ausgesucht, damals in der Yogaausbildung. Wir sollten uns einen Partner suchen und, in diesem Fall tatsächlich ohne lang zu überlegen, marschierte ich auf sie zu und sagte so etwas wie: "Wenn Du einverstanden bist, werden wir Partner." Sie konnte vermutlich nicht viel anders, als nickend zu bejahen. Seitdem sind wir Partner.
Ramona ist zehn Jahre jünger als ich und hat doch ein Leben gelebt, das meines trotz einiger Aufregungen als sehr normal erscheinen lässt. Ihre Verbundenheit mit der Natur und den dort vorherrschenden Energien verschlägt mir manchmal immer noch die Sprache. Manches kann ich annehmen, anderem stehe ich nach wie vor kritisch gegenüber. Etwas nicht erklären zu können, empfinde ich als beunruhigend.
Ramona macht Reiki, sie hatten den dritten Grad, die letzte Stufe, wie ich online lese, und kann somit auch anderen Menschen nicht nur Reiki geben sondern sie auch lehren, es an sich selbst und später auch anderen anzuwenden. Ich begebe mich auf eine Reise der anderen Art. Ganz ohne Auto und Flieger.
Chi, Ki, Prana. Alles Energie, die fließen soll.
Im Grunde geht es, rational betrachtet darum, die Selbstheilungskräfte zu wecken und Energieblockaden zu lösen. Energie ist mir durchaus bekannt, im Yoga geht es letztlich um nichts anderes. Oder wie es die Chinesen erklären: wenn das Chi ungehindert durch die Meridiane fließen kann, fühlen wir uns gesund. Wenn es blockiert ist, fühlen wir uns schwach oder bodenlos oder richtig krank. Reiki kommt aus Japan (mehr zur Geschichte hier) und dort heißt die Lebensenergie nicht Chi oder Prana, wie im Yoga, sondern Ki. Gemeint ist immer dasselbe.
Durch Energieleitung über die Hände sollen Blockaden und Störungen gelöst werden. Das klingt genauso einfach, wie es ist. Alles, was wir dafür "tun" müssen, ist offen zu sein für etwas, das auf ersten Blick vielleicht nicht erklärbar ist. Andererseits: jeder, der schon einmal berührt wurde, das sind wohl die meisten von uns, kennt das warme, angenehme Gefühl, das dadurch entsteht. Bei einer Massage zum Beispiel oder ganz einfach zu Hause, wenn der Partner oder ein guter Freund die Hand beruhigend auf den Arm oder die Schulter legt. Das ist nichts anderes als Energie, die da fliesst. Sagen die Inder und die Chinesen und die Japaner. Haben sie Unrecht? Ich glaube nein.
Mein erstes Mal Reiki.
Meine Anwendung dauert nicht länger als vielleicht 20 Minuten und ich kann sagen, dass die Energie bei mir ordentlich fliesst, deutlich spürbar.
Reiki ist insofern bemerkenswert, dass es sich dabei um unsere eigene Energie handelt, die wir ankurbeln. Es ist nicht die Energie des Gebenden. Das bedeutet für den Gebenden, dass er am Ende nicht ausgelaugt zurück bleibt, sondern sich auch selbst aufladen kann. Reiki regt den eigenen Energiefluss an - ob man daran glaubt oder nicht.
Als ich später in meinem Auto sitze, fühle ich mich befreit und leicht. Die Gedanken sind leise und reden nicht dazwischen. Ich fühle mich vollkommen entspannt und gleichzeitig hellwach. Energiegeladen.
Das war am Sonntag letzter Woche. Montag bin ich von allein um 7 Uhr aufgewacht (das ist bei mir selten) und war den ganzen Tag nicht müde. Dafür äußerst produktiv, gelassen und ja, glücklich. Und der Zustand zieht sich seit dem durch die Woche, wirklich wahr.
"Und, wie war's?" fragte meine Freundin mich am Dienstagabend. "Es tut mir gut", antworte ich, tatsächlich, ohne zu überlegen. "Und dann ist es mir auch wurscht, ob ich's nun erklären kann oder nicht." Sie schaut skeptisch. Und mir ist es egal.