Hot Summer? Versuch's doch mal mit Wassertreten!
Wassertreten, denkst Du Dir, ist jawohl sowas von retro. Meine Oma, die hat das gemacht, war ein totaler Anhänger von Kneipp & Co.. Was, wenn Deine Oma damit gar nicht so unrecht hatte? Wassertreten ist in! Und zwar sowas von!
Versuch's doch mal mit Wassertreten!
Sebastian Kneipp kam im Jahr 1849, im Alter von 28 Jahren, durch eine Tuberkulose-Erkrankung auf den Trichter, dass Wasser eine ungeheure Heilkraft besitzt. Damals war er auf der Suche nach neuen Heilmethoden und entdeckte zufällig das Buch „Unterricht von der Heilkraft des frischen Wassers“ von Johann Siegmund Hahn. Die Geschichte besagt, dass er das, was er dort las, direkt an sich selbst ausprobierte und begann, regelmäßig für kurze Momente in der eiskalten Donau zu baden. Tatsächlich wurde er wieder gesund und schwor seit dem auf die Kraft des Wassers. Ein Bestandteil der bis heute berühmt gebliebenen Kneipp Kuren ist weiterhin das Wassertreten in eiskaltem Wasser.
Wasser dient in erster Linie als Träger von Reizen. Ein Temperaturreiz veranlasst den Körper zu einer Ausgleichsreaktion, um das Wärmegleichgewicht zu erhalten. Der Reiz wird lokal gesetzt, wirkt aber nicht nur im Gebiet der Anwendung, sondern beeinflusst auch die ihm zugeordneten Organe und selbst das vegetative Nervensystem.
Starke Abwehrkräfte, stabiles Nervenkostüm
So kann über die Füße auf den gesamten Körper eingewirkt werden – ein Fußbad fördert zum Beispiel die Durchblutung der Schleimhäute im Nasen-Rachenraum und wirkt sich außerdem auf die Unterleibsorgane, die Harnwege sowie auf den Ver- dauungstrakt aus. Die Wasseranwendungen nach Kneipp sind physikalische Verfahren, deren Wirksamkeit durch wissenschaftliche Methoden eindrucksvoll nachgewiesen werden konnte.
Wassertreten soll insbesondere die Abwehrkräfte stärken und das vegetative Nervensystem stabilisieren. Durch die Reize von wechselnden Temperaturen und den Wasserwiderstand sollen Kreislauf, Durchblutung und Stoffwechsel ordentlich in Schwung kommen und es soll harmonisierend auf alle Systeme im Körper wirken und die seelische Gelassenheit fördern. Wem das noch nicht reicht, dem sei auch noch gesagt, dass es vorbeugend gegen Krampfadern Anwendung findet und bei geschwollenen Sommer-Beinen hilft.
Wo geht's denn hier zum Wassertreten?
Wo finde ich überhaupt Möglichkeiten, um im Wasser herumzulaufen wie ein Storch? Neulich bin ich zufällig über so eine Möglichkeit gestolpert, und zwar in Leinsweiler in der Pfalz. Hier haben die Leinsweiler in idyllischer Lage am Rand des Pfälzer Walds ein mit Sandsteinen umrahmtes und mit Quellwasser gespeistes Kneippbecken errichtet. Der Standort genaue Standort: Trifelsstraße Richtung Feriendorf, am Wanderparkplatz "am Brünnel".
Neben dem Wasssertretbecken befindet sich außerdem ein Schild, auf dem die zu beachtenden Regeln für das Wassertreten detailliert beschrieben stehen. Ähnlich wie beim Saunieren geht es hier nämlich nicht nur um das "Das", sondern insbesondere um das "Wie", wenn es zu guter Gesundheit beitragen soll.
Ich lese also folgende Anleitung, bevor ich mich in das kühle Nass stürze:
Das Wasser soll bis handbreit unter das Knie reichen.
Bei jedem Schritt wird das Bein ganz aus dem Wasser gehoben („Storchengang“).
Dauer je nach Wassertemperatur ca. 1⁄2 bis 1 Minute (aufhören, wenn ein schneidender, krampfartiger Schmerz eintritt).
Das Wasser abstreifen und Strümpfe und Schuhe anziehen.
Wiedererwärmung durch Laufen oder im Bett (abends zur Schlafförderung).
Die Anwendung darf wie alle Wasseranwendungen nicht mit kalten Füßen durchgeführt werden.
Erfrischung für Seele, Geist und heiße Wanderfüße.
Ich gebe zu, dass meine Füsse nicht heiß gelaufen waren an diesem heißen Tag im Juni, jedenfalls nicht vom Wandern. Wir hatten das Kneippsche Becken nämlich direkt nach dem Frühstück angesteuert, in der vollen Überzeugung, dass uns ein erfrischender Start in den Tag, vielleicht auch bedingt durch den langen Abend zuvor, extrem gut bekommen würde. Und was soll ich sagen: so war es!
Ich möchte an dieser Stelle bei aller Euphorie doch auch 3 sehr persönliche Tipps los werden:
1. Inspiziere das Becken! Wir befinden uns inmitten der Natur. Kein Chlor, kein Bademeister, dafür Gras, Bäume und Tierchen drumherum. Und manchmal eben auch mitten drin. Also Augen auf, bevor Du Dich ins Nass begibst! Es kann schon einmal sein, dass sich eine nackte Wasserschnecke am Beckengrund tummelt. Oder vielleicht auch andere mehr oder wenige glitschige Dinge, die ich zum Glück nicht entdeckt habe.
2. Trau Dich! Der weise Ausspruch "Jeder Anfang beginnt mit dem ersten Schritt" bekommt hier eine sehr praktische Bedeutung. Der erste Schritt, ich sag es gleich, kostet Überwindung. Aber geh ihn! Es tut soooo gut.
3. Durchhalten! Die ersten drei bis vier großen Storchenschritte fühlen sich wohltuend kalt und erfrischend an. Ab Schritt fünf bis sechs, etwa am Ende der Stange, die in der Mitte befestigt ist und auf die man sich bequemerweise stützen kann, im im Storchengang nicht das Gleichgewicht zu verlieren, wird es fies. Das Wohlsein geht dann fließend in den ersten Kälteschmerz über, das Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse und Urlaute wie "Ohhhhh" , "Auahhhhhh", Oahhhhh" oder deftige Ausdrücke wie "Heilige ...." oder "Ver...." entweichen dem eigenen Mund, ohne dass man es irgendwie in der Hand hätte. Tapfer weiter stapfen, lautet die Devise, und während der letzten Schritte ist die volle Aufmerksamkeit auf die nahenden Treppenstufen gerichtet, die die Rettung aus dem eisigen Nass bedeuten.
Wer er geschafft hat, stakst draußen auf dem Gras am Beckenrand herum und nach wenigen Sekunden, wenn der Schmerz mehr und mehr nachlässt, entspannt sich die Mimik und ein Strahlen breitet sich auf dem Kneippgängergesicht aus. Ein Wonnegefühl stellt sich ein und schon nach wenigen Minuten ist man "heiß" auf die zweite Runde. Die geht dann auch schon besser, garantiert.
Kneippsche Kur zu Hause?
Aber klar doch! Ich bin infiziert und lasse mir an heißen Tagen nun regelmäßig ein eiskaltes, kniehohes Wasserbad in meine Wanne ein. Ich kremple mir die Hosen hoch und steige ein, storche langsam und konzentriert einmal in die eine und dann in die andere Richtung und wenn es geht, wiederhole ich das noch zweimal. Jedoch nicht länger als eine Minute!
Ausprobieren! Kostet nix und tut sowas von gut.
Über Eure Erfahrungen und Bilder (!!!) vom Storchengang im Wasserbad würde ich mich sehr freuen!
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